Pressestimmen

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Szenen einer Ehe

 „Zweikampfhasen“: Das wortgewaltige Schauspielerpaar Jennifer und Michael Ehnert im Pantheon

 Mit freundlicher Genehmigung von Hagen Haas, General-Anzeiger Feuilleton 17./18. Oktober 2015 

Der Mann steht am Bühnenrand, Dunkelheit umgibt ihn, ein Lichtkegel erhellt ihn. Er hat einen hellen Moment in düsteren Zeiten. Glaubt er jedefalls. „Frauen behaupten immer, sie suchen einen Mann zum Pferdestehlen. In Wahrheit suchen sie einen Mann, der ihnen ein Auto kauft.“ Der Mann nickt bedeutungsschwer und beifallheischend.

Die Frau steht am anderen Bühnenrand, sie hat die Arme vor der Brust  verschränkt; sie schüttelt ihr Haupt. Volles Bühnenlicht. „Mach es dir ruhig bequem in deinen Klischees von 1950. Soll ich dir jetzt noch Pantoffeln und Bier bringen?“ Allzu rhetorisch ist ihre Frage offenbar nicht gemeint.

Nach ihrem fulminanten ersten Programm „Küss langsam“ eröffnet das Schauspieler-Ehepaar Jennifer und Michael Ehnert mit „Zweikampfhasen“ die nächste Runde seiner Beziehungsschlacht. Es sind Szenen einer Ehe, wortgewaltig, ungemein dicht arrangiert, wuchtig und manchmal verblüffend. Bisweilen erinnern die verbale Leichfüßigkeit, die Schärfe, der Biss und die ausgefeilten Wortspiele an die Screwball-Klassiker aus Hollywoods goldener Epoche. Die Ehnerts erliegen freilich nicht der Versuchung, diesem bequemen Pfad zu folgen. Sie erinnern mit ihrem zweiten Programm, das sie jetzt im Panteon präsentierten, eher an Liv Ullmann und Erland Josephson denn an Katharine Hepburn und Spencer Tracy. Die Monologe, Wortduelle und Rollenspiele werden von einer Art Boxring-Gong unterteilt. In ihrer schonungslosen Analyse, stets in Sichtweite zur Selbstzerfleischung, ist den Eheleuten nichts Menschliches fremd. Wie die beiden Schauspieler ihre Besuche beim Gynäkologen beziehungsweise bei der Urologin umsetzen, ist unpeinlich, originell und souverän gelöst – ebenso explizit wie dezent.
Dieses rasante, intelligente und hoch energetische Beziehungskabarett mit Echtheitszertifikat ist einzigartig auf deutschen Bühnen.

 

Ehnert vs. Ehnert: „Zweikampfhasen“

mit freundlicher Genehmigung von Beate Moeller in LIVEUNDLUSTIG

BERLIN – „Ein bulgarisches Sprichwort sagt: Der Teufel weiß alles. Bloß er kennt nicht den Ort, an dem die Frauen ihre Messer schleifen.“ – Aber vorne angefangen:

Hand in Hand betritt es die Bühne, das strahlende Paar, das zähnebleckende Eheglück. Jennifer und Michael Ehnert, seit acht Jahren perfekt verheiratet. Zwei, die sich gefunden haben, um „come what may“ den Widrigkeiten des Lebens zu trotzen – die große Liebe ohne Anfang und ohne Ende, schicksalsschwer ins Gold graviert.

Doch was ist geworden aus der Verliebtheit von vor acht Jahren? Michael Ehnert brüllt die Antwort den Zuschauern im Kreuzberger BKA-Theater entgegen: „Wir sind angekommen in der Ruhe und Gelassenheit des Paaralltags!“ 

Wie der sich gestaltet, stellen uns die Ehnerts in den folgenden zwei Stunden detailgetreu dar. Dabei ist es gut zu wissen, dass die beiden Darsteller tatsächlich so heißen wie ihre Bühnenfiguren und wie sie miteinander verheiratet sind.

Jennifer hat eine Amerika-Meise (Stichwort Freiheit nach Hollywood-Klischee), und Michael, naja, der ist eben ein deutscher Mann. Zudem Zahlen- und Datumsfetischist und Vegetarier (Stichwort Erbsenzähler). Gegensätze ziehen sich an? Der „autistische Einsiedler“ beruft sich auf seine „sozialen Kontakte“ außerhalb der Ehe. Alle paar Minuten bimmelt eine Spam-Mail aus seinem Handy. Sie möchte sich keinesfalls die Blöße geben, eifersüchtig zu wirken.

Als Frau und Mann spielen sich Ehnert und Ehnert durch den Geschlechterkampf, ringen mit Klischees „Die Frauen sagen, sie möchten einen Mann zum Pferdestehlen, wollen aber tatsächlich einen, der ihnen ein Auto kauft.“ – „Männer sind die Nigger dieser Welt.“ Komisch und bösartig fliegen die Fetzen. Ehe ist doch sowieso nur die Abkürzung für „erare humanum est“ (Irren ist menschlich). Sieht ganz so aus, als wäre hier eine Utopie vom Glück gescheitert.

Anders als in ihrem ersten Stück „Küss langsam“ bringen Ehnert und Ehnert diesmal weitere Figuren außer sich selbst mit auf die Bühne. In die angespannte Lage sich einzumischen wagen die Psychotherapeutin, die Proktologin, der Frauenarzt, der Scheidungsanwalt, Brad aus Hollywood, Frau Olga und der schwule Franz („dein Mann, der Sklaventreiber!“).

Dadurch geben die Ehnerts sich selbst die Chance, den Facettenreichtum ihrer schauspielerischen Möglichkeiten – quasi nebenbei – vorzuzeigen.

Während nicht namentlich genannte Comedians auch gerne mal das Thema MännerundFrauen verulken und dabei im Chauvinistisch-Banalen bzw. Defizitär-Barbiehaften rumdümpeln, halten Ehnert und Ehnert sich erst gar nicht bei Shopping-Marotten und ähnlichem Firlefanz auf. Sie führen Krieg und zwar richtig, im Namen der Liebe. Da wird psychologisch und philosophisch sauber argumentiert, da wird unsachlich gepöbelt. Rasierklingenscharf die Dialoge, die Michael Ehnert geschrieben hat.

Treffsicher wird der wunde Punkt des Anderen angepeilt, die größtmögliche Verletzung ist das Ziel. Und Worte sind nun mal die schärfsten Waffen. Dabei bleibt der Treibstoff in diesem fein gearbeiteten Beziehungsdrama – okay, nicht in jedem Moment, aber grundsätzlich – die „aristophanische Sehnsucht nach Zweisamkeit“. Schließlich möchten sie doch bloß „come what may until my dying day“ das Leben gemeinsam verbringen und am liebsten wie Philemon und Baucis im Mythos schließlich gemeinsam zu Ende bringen. Wenn nur einer wüsste, wie das geht!

Erst wenn Zweie das herausgefunden haben, können wir vielleicht auf einen Abend wie „Zweikampfhasen“ verzichten, was wirklich schade wäre um dieses köstliche Vergnügen.
Bis dahin hilft nur Hingehen